JUGEND, ERSTER WELTKRIEG, BAUHAUS, FRÜHE ARBEITEN
Carl Friedrich August Ferdinand Kramer, geboren am 22. Januar 1898 in Frankfurt am Main, empfand es als ein Privileg, noch im 19. Jahrhundert seine Wurzeln zu haben, dem Jahrhundert großer wissenschaftlicher und technischer Erfindungen. Seine Eltern, Gustav und Anna Kramer, geb Leux, besaßen das renommierte Frankfurter Geschäft »Hutlager G. Kramer« im alten Hotel Schwan, Steinweg 12. Prägend für Kramers Entwicklung waren vor allem die Besuche in der »Leuxschen Werft« seines Großvaters, des Schiffbauers Carl F. A. Leux, in Niederrad. Hier sah er frühzeitig »präzis gezeichnete Schiffspläne und technische Lösungen eines Handwerks, das höchste Qualität mit sparsamsten Mitteln forderte: Formen, die das Resultat von Zweck, Material und Arbeit sind.«
Nach dem Notabitur an der progressiven Sachsenhäuser Oberrealschule 1916–1918 als Infanterist an den Fronten in Russland und vor Verdun, entwarf er im Schützengraben einen Prototyp seines »Kramer-Ofens«, der optimale Heizleistung erbrachte, ohne dass aufsteigender Rauch die Stellung verriet.
1919 begann Kramer sein Architekturstudium an der TH in München bei Theodor Fischer, dem damals bedeutendsten Lehrer für Architektur, dessen »6 Vorträge über Stadtbaukunst«, niedergeschrieben 1917/18, ihn entscheidend beeinflussten.
Auf Vorschlag von Theodor Fischer suchte er das kurz zuvor von Walter Gropius in Weimar gegründete Staatliche Bauhaus auf, kehrte aber nach wenigen Monaten – enttäuscht über die fehlende reguläre Architekturausbildung – zurück an die TH (Brief von Gropius an Kramer vom 15.10.1919) und schloss 1922 sein Studium als Diplom Ingenieur ab. Er wohnte bei der Schriftstellerin Ricarda Huch und verdiente seinen Lebensunterhalt durch Buch- und Einbandgestaltungen für den O.C. Recht Verlag und Kulissenmalerei für den genialen Bühnenbildner Leo Pasetti an Otto Falckenbergs Kammerspielen.
Während der Inflation ohne Bauaufträge in Frankfurt, entwarf Kramer Kleinmöbel, Lampen, Kochtöpfe, Kaminbesteck und Kannen aus Messing und Kupfer, einen »Schiffermanns Ofen« aus Schwarzblech für die bekannte Innenarchitektin, Möbel- und Modedesignerin Lilly Reich, und er entwickelte den »Kramer-Ofen«, einen die Energie optimal nutzenden Allesbrenner, der seit 1925 von der Firma Buderus in verschiedenen Typen in grossen Serien produziert wurde.
Diese Objekte, auf der legendären Ausstellung des Deutschen Werkbundes »Die Form« 1924 in Stuttgart, Frankfurt, Mannheim, Ulm sowie in Kaiserslautern gezeigt und in dem Katalog »Die Form ohne Ornament« publiziert, erregten Aufsehen. Siegfried Kracauer beispielsweise wies auf die »konstruktive Energie« Kramers hin und die »Phrasenlosigkeit und Konsequenz« seiner Eisenöfen. Mit Lilly Reich reiste Kramer in die Niederlande und nach London. Er sah die Arbeiten der Architekten der De Stijl-Gruppe Gerrit Rietveld und J.J.P. Oud. Er sah in London die langen Straßenzüge mit den traditionellen Reihenhäusern und die Arbeiter-Wohnblocks aus dem 19. Jahrhundert, sowie den legendären Laden von »Lock Hatters« in der St. James Street. Auch faszinierte ihn die Verkehrsmittel Werbung, die Schrift der »Underground«. Vermutlich haben Edward Johnstons Versalien für »Transport for London« (TfL) von 1916 ihm entscheidende Anregungen gegeben für seine Schriftentwürfe und typografischen Gestaltungen – wie z.B.: für das Titelblatt des Ausstellungskatalogs »Die Form« 1924 im Städtischen Kunstgewerbemuseum in Frankfurt am Main.
Aufmerksam auf Ferdinand Kramer wurde Ernst May vor allem wegen Kramers klarer, minimalistischer Einrichtung eines Reisebüros für die Hapag (Hamburg-Amerika-Linie) und die Messegesellschaft 1924: Weisse Wände, dunkler Fußboden, Leuchtstoffröhren, integriert in die Decke, eine viereckige Uhr ohne Ziffern, profillose Theken und schmale, mit schwarzem Rosshaar bezogene Bänke.